99 Jahre Hörspiel in der Schweiz

Foto: Unternehmensarchiv SRF, Radiostudio Zürich

In diesem Blog möchte ich in kurzen Essays wichtige Hörspiel-Produktionen vorstellen. Nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern in der prägnanten Art des Blogging.

Ich lasse mich dabei von subjektiven Interessen leiten – und von den Fragen meiner Leserinnen und Leser, falls solche gestellt werden.

Wer sich in das Thema vertiefen möchte, findet auf meiner Homepage Quellenangaben, detaillierte Informationen, Links und Verzeichnisse, die weiterhelfen. Hier der Pfad dorthin:

Das Deutschschweizer Hörspiel 1925 – 1990

Kategorie: Hörspiel

  • Mysterienspiel – nicht nur für Gläubige

    Religiöse Hörspiele wurden seit 1925 regelmässig produziert. Silja Walters Weihnachtshörspiel «Die Scheol tanzt» (1972) ist der erste Teil einer Mysterienspiel-Trilogie von hoher radiophoner Qualität. Manfred Schwarz schrieb ein Weihnachtshörspiel («In den Tagen des Herodes», 1965) und ein Osterhörspiel («Wer schrie: kreuzige ihn!?», 1968), die eine Wendung vom Mysterienspiel zum religionshistorisch-politischen Dokumentarspiel vollziehen. Einflüsse des Neuen…

  • Montage – Demontage

    Die Aneinanderfügung von disparaten Textteilen aus verschiedenen Quellen sowie die Orientierung auf eine zentrale Idee hin sind Hauptmerkmale des Montage-Hörspiels. Peter Bichsels (*1935) Hörspiel „Inhaltsangabe der Langeweile“ (1972) wird hier als seltene, reine Ausprägung dieser Gattung ausführlich besprochen. Als hybride Beispiele, die eine Synthese mit konventioneller Dramaturgie eingehen, werden „Das Luftmeeting zu Brescia“ (1986) von…

  • Abteilung «Dramatik (und Feature)»

    Drei Perioden der Deutschschweizer Hörspielgeschichte lassen sich bisher zuverlässig unterscheiden: die Frühzeit (1925-45), die Nachkriegsperiode (1945-65) und die „Abteilungsära“ (1965-85). Die anschliessende Produktion bis zur Gegenwart muss erst noch erforscht werden, bevor eine Gliederung möglich ist. Die Zeit der Abteilung „Dramatik“ von Radio DRS (1965-85) kann als die bisher erfolgreichste Periode betrachtet werden. Das Verhältnis…

  • Das O-Ton-Hörspiel

    Das O-Ton- oder Originalton-Hörspiel ist in der Schweiz nur mit wenigen Produktionen vertreten und führte zur Integration des Features in die Abteilung „Hörspiel“. Hansjörg Schneider und Gertrud Wilker arbeiteten mit schriftlich fixierten Originalton-Dokumenten. Willy Buser, Guido Wiederkehr und Roswitha Schmalenbach nannten ihre Versuche, die sich eng an ausländische Experimente anlehnten, „Collagen mit Originalaufnahmen“. Paul Pörtner…

  • Musik im Hörspiel – Hörspiel als Musik

    Hörspiele mit Musik gab es von Anfang an, z.B. «Ein Abend im Hause Wesendonck» (1927) von Richard Schweizer. In den vierziger Jahren entstanden in Lausanne mehrere aufwendig Oratorien von William Aguet und Arthur Honegger, z.B. «Battements du Monde» (1944). Eine aussergewöhnlichen Produktion war «Ein Zimmer für Carl Philipp Emanuel Bach. Hörspiel für zwei Pianisten» (1986)…

  • Hörspiel als Sprachspiel

    Sprach-experimentelle Hörspiele greifen oft auf Dada und konkrete Poesie zurück. Entsprechende Werke wurden in der Schweiz ab 1969 produziert: „Redensarten“ (1969) und „Von Mensch zu Mensch“ (1972) von Werner Schmidli, „Badekur“ (1970) von Erica Pedretti und „Nekrolog“ (1977) von Rolf Hörler werden vorgestellt. Weitere sprach-experimentelle Hörspiele waren nach der Jahrtausendwende von der spoken-word-Bewegung inspiriert. Die…

  • Hörbild – Hörfolge – Feature

    Als Hörbild bezeichnete man ursprünglich ein Ensemble von Geräuschen und Raumakustik, das die bildschaffende Phantasie der Zuhörenden anregen sollte. Die Verbindung solcher Hörbilder in Kombination mit anderen Elementen (Texte, Dialoge, Musik etc.) nannte man eine Hörbilderfolge und bald – in abgekürzter Form – eine Hörfolge. Nach dem Krieg führten die Vertreter der englischen Besatzungsmacht in…

  • Protokolle der subjektiven Realität

    Thema dieses Artikel ist das „Hörspiel der subjektiven Epik“. Als Beispiele werden die Hörspiele „Der Radfahrer“ (1985) von Franz Böni und „Ihre Stelle ist gesichert“ (2024) von Jens Nielsen beschrieben. Bönis Hörspiel beschreibt im ersten Teil eine Tour des Telegrammboten Anton Eiler, im zweiten eine Schicht derselben Person als Nachtwächter in einem Zürcher Industriegebiet. Eiler…

  • Inszenierung als Interpretation

    1987 wurde Hans Peter Treichlers Kurzhörspiel-Serie „De Bärni Lips gaht uf Tutti“ im Studio Zürich aufgezeichnet. Regisseur war Joseph Scheidegger, der alleinige Darsteller Mathias Gnädinger. Der Artikel basiert auf meinen Beobachtungen während der Proben und Aufnahmen sowie der Diskussion der Zürcher Regisseure beim „Abhören“ der ganzen Serie. Die durchschnittlich vierminütigen Kurzhörspiele wurden als boshafte Karikaturen…

  • Bänninger, 1927, S.581; vgl. auch H.B., 1930, S.465 f

    Gesucht: das (originale) Hörspiel

    An der Hörspieldebatte von 1927 in der Programmzeitschrift beteiligten sich Radioleute, Schriftsteller, Journalisten und einzelne Hörer. Man beklagte die finanzielle Not des Radios und verschiedene Probleme im Produktionsprozess, kam aber nicht auf die Idee, konkrete Ansätze zu Hörspielen im Zürcher Programms zu analysieren. Einer der Diskutierenden war Arthur Manuel, dessen Tragikomödie „Der Holzwurm“ 1927 gesendet…

  • Geschichten und Geschichte

    Der Themenbereich des historischen und biografischen Hörspiels umfasst seit den ersten Anfängen der schweizerischen Hörspielgeschichte sehr viele und sehr verschiedenartige Produktionen. Richard Schweizer schuf 1927/28 zwei kulturhistorische Werke „Aus Zürichs Vergangenheit“, die als erste originale Hörspiele des Zürcher Senders gelten können. Eine Konstante bestand in den dreissiger und vierziger Jahren darin, historische Erfolgsgeschichten und „Heldentaten“…

  • Dialekt und Komödie

    Das Schweizer Hörspiel entstand aus Sendespiel-Adaptionen von einaktigen Mundart-Satiren und -Grotesken für das Laientheater. Hörspiel-Komödien wurden in der Folge mit Vorliebe in Dialektform produziert. In den vierziger Jahren entstand die Tradition von Bunten Programmen mit humoristischen Einlagen, die sich allmählich zu heiteren Familienserien mit übergreifendem Handlungskonzept entwickelten. „Der Salpetersieder u sy widerspenstigi Frou“ (1966) von…

  • Burleske made in Switzerland

    1949 erhielt Max Frisch von Radiostudio Zürich den Auftrag, ein Exposé für ein Hörspiel einzureichen. Er bearbeitete darauf ein Kapitel aus seinem „Tagebuch 1946-49“, arbeitete den Entwurf aber nicht weiter aus. 1951/52 bereiste Frisch die USA und lieferte dem Schweizer Radio 14 exposé-artige Beiträge mit Tonaufnahmen. 1952 erhielt er vom Bayerischen Rundfunk ein Auftragsangebot für…

  • Monolog auf der «inneren Bühne»

    Ein integrales Hörspiel des inneren Monologs steht am Anfang der Hörspielgeschichte: „Agonie“ von Paul Camille (1924). Richard Schweizers „Napoleon auf St. Helena“ (1929) ist ein innerer Monolog, der durch Stimmen von Naturelementen unterbrochen wird. Ernst Bringolf, ein erfahrener Hörspielmacher, der viele Jahre in Berlin beim Radio gearbeitet hatte, inszenierte seinen Erstling „Ein Mensch allein“ 1937…

  • «Kilter- und Kühdreck-Anekdoten»

    1946 bearbeitet Ernst Balzli den Roman „Ueli der Knecht“ von Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf in 10 Folgen für das Radio. Darauf folgten „Ueli der Pächter“ (1947), „Anne Bäbi Jowäger“ (1948/49) und „Die Käserei in der Vehfreude“ (1950/51). 1953 begann eine heftige Debtte über die Angemessenheit solcher Literatur-Adaptionen für das Hörspiel. Der Philologe Walter Muschg…

  • PopHörspiel goes prominent

    Michael Stauffers „Radio till you drop“ (2006) ist ein medienkritisches Pophörspiel mit konventionellem Plot, das strukturell auf dem Prinzip des Sampling basiert. Es wird in Günter Rinkes Studie „Das Pophörspiel“ (2018) im Kapitel „Medienkritische Hörspiele“ ausführlich besprochen. Ulrich Bassenge konstatiert, dass das Pophörspiel als Gattung heute nicht mehr von Bedeutung sei und einer vergangenen Epoche…

  • Über den «Röschtigraben»

    Das Hörspiel «Eine Schweizer Hochzeit – un mariage Suisse» von Amélie Plume und Charles Lombard wurde 1997 mit dem Preis der Stiftung Radio Basel ausgezeichnet. Es kommt zum Schluss, dass die 1914 von Carl Spitteler beschworene nationale Identität trotz sprachlicher Disparität kein politisches Problem mehr ist. Heute beschäftigt uns vielmehr der Verhältnis der Schweiz zur…

  • «Bilderbuechstettli am See»

    1971 bearbeitete Gerold Späth ein ungedrucktes Kapitel seines Roman-Erstlings „Unschlecht“ als Hörspiel, das er 1978 in Mundart übertrug. „Heisse Sunntig“ ist ein idyllisches Panorama von Zeitgenossen von Rapperswil, dem „Bilderbuechstettli“ am Zürichsee. 1986 entstand das Hörspiel „Mein Besuch im Städtchen am See“, eine böse Satire zum selben Thema. Beiden Hörspielen liegt als Urform des Panoramaspiels…

  • Inhalt: AutorInnen und Titel

    Hier werden AutorInnen und Titel der behandelten Hörspiele in einer nach Autorennamen gegliederten Liste aufgeführt. Wenn man die Links anklickt, gelangt man zu den betreffenden Blog-Artikeln.

  • «Nordheld» auf Polarfahrt

    Paul Langs Pionier-Hörspiel „Nordheld Andrée“ wurde 1931 mit dem ersten Preis im ersten Schweizer Hörspiel-Wettbewerb ausgezeichnet. Es handelt von der gescheiterten Nodpol-Expedition des Schweden Salomon August Andrée von 1897 mit einem Gasballon. Lang gestaltet die Expedition als Heldentat im Sinne frontistisch-völkischen Gesinnung. Er was seit 1930 Mitglied der „Neuen Front“, einer mit dem italienischen Faschismus…